In diesem Jahr wird weltweit der 150. Geburtstag des englischen Nobelpreisträgers Rudyard Kipling gefeiert. Da passt es perfekt, dass am Samstag die Junge Bühne Oberkirch die Premiere seines Kinderbuchklassikers »Das Dschungelbuch« in einer fesselnden Freiluftinszenierung vor dem »freche hus« aufführte.
Wie es sich für einen Theater-Impressario gehört konnte Realschuldirektor Klaus Lienhard die gute und die schlechte Nachricht des Tages mit einem lachenden und einem weinenden Auge verkünden. Urgestein Arthur Hilberer, der seit 31 Jahren zum Kollegium gehört, verabschiedet sich vom Schulbetrieb, gab aber im Vorfeld zu erkennen, dass er für die Realschule auch weiterhin vor und hinter der Bühne agieren wird. Dagegen wechselte der seit elf Jahren als Realschullehrer tätige Thomas Geiss die Stadt und steht nicht länger als Akteur zur Verfügung. In der aktuellen Saison ist er noch als gutmütiger Bär Balu im »Dschungelbuch« und dämonischer Müller im »Krabat« zu sehen. Sein Abgang ist ein schwerer Verlust, zeigen doch allein seine beiden letzten Rollen die breit angelegte Palette seines schauspielerischen (Vollblut-) Talents, das Jung und Alt in einer Vielzahl von Vorstellungen erfreute und begeisterte.
Nach der kräftig beklatschten Ehrung hieß es »Manege frei« für das »Dschungelbuch«. Das Wetter hatte es am Samstag leider ein wenig zu gut mit der Jungen Bühne gemeint. Immerhin konnten sich angesichts der drückenden Hitze auch die jüngsten Besucher unschwer vorstellen, dass das Leben im tropischen Dschungel nicht immer ein Zuckerschlecken ist. Da Regisseurin Johanna Graupe und Arthur Hilberer die blitzgescheite Textfassung von Peter Jahreis adaptierten, die mit Timo Riegelsbergers mitreißenden Musikarrangements ein spannendes Hör- und Sehvergnügen bietet, waren die Temperaturen für den Zuschauer trotzdem relativ leicht zu ertragen.
Gerti Redeck, Lydia Brüstle und Annica Bienek, die sich beim Nähen der Kostüme gewiss den einen oder anderen blutigen Finger holten, haben sich mit dem unter ihren Kreationen kräftig schwitzenden Ensemble sicher eine Tapferkeitsmedaille verdient. Ausgestattet wurden: Eine sechsköpfige, von Christian Schaub mit scharfen Kommandotönen stilsicher angeführte Elefantentruppe. King Lui (Paul Vollmer) und seine 18-köpfige, zumeist spaßig aber auch wild und gefährlich umherspringende Affenhorde. Sieben prächtig ausstaffierte Geier, deren Gruppe unter dem Stichwort »Keine Feier ohne Geier«, einen bis ins Detail stimmigen Glanzauftritt hinlegten. Weitere Kostüme galt es noch für das von Akela (Marvin Sauer) gekonnt herrisch angeführte Wolfsrudel und Leitwölfin Silvia Baumgärtner anzufertigen.
Damit ist die tierische Dschungelmannschaft natürlich noch längst nicht komplett. Arthur Hilberer spielt den rührend um Menschenkind Mogli (überzeugend: Til Klose) besorgten Panther Baghira, während Geiss, wie bereits erwähnt, in das Fell des gemütlich nach Honig gierenden Bären schlüpft. Die wunderbar strahlende Linda Huber mimt Moglis Freundin, ein Stachelschwein; Lennard Boschert den heimtückischen Schakal, die betörende Hanna Hörth agiert als Riesenschlange Kaa, deren hypnotischer Blick gleich eine ganze Affenhorde um den kleinen Finger wickelt und nicht zu vergessen Jürgen Wurth als Tiger Shir Khan, der seine Rolle beeindruckend furchterregend und plastisch auslebt.
Da auch Gesangscoach Anja Bittner und Choreographin Silvia Baumgärtner ganze Arbeit leisteten, wird das Oberkircher »Dschungelbuch« sicher in den nächsten Vorstellungen (siehe Hintergrund) zum beliebten Publikumsrenner werden.